Munichkindl
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München im Klassizismus
Ein ungeliebter Pfälzer zieht in die Residenz
1766 bis 1799 n. Chr.
1766 unterzeichneten Kurfürst Max III. Joseph von Baiern mit seinem pfälzischen Vetter, Karl Theodor, der rudolfinischen Wittelsbacher- Linie die Erneuerung der alten Erbverbindung. Damit wird Baiern und die Pfalz erstmals als unteilbarer Gesamtbesitz gesehen. Als dann 1777 Max Joseph (nach wie vor kinderlos) verstirbt, muss Karl Theodor (*1724; † 1799) sein ungeliebtes Erbe antreten und wird vom Pfalzgraf zum Kurfürst von Pfalz-Baiern. Er sah diese Regentschaft wohl eher als Verbannung, doch es galt geschlossene Verträge einzuhalten.
Im Januar 1778 hält Karl Theodor mit zahlreichen Kutschen Einzug in München, aber der Empfang verläuft eher steif und gequält. Man mag sich nicht. Den Münchnern waren die "Mannemer" am baierischen Hof von Anfang an suspekt.
Gleich zu Beginn, drei Monate nach seiner Ankunft, Ende März, wurde wie jedes Jahr die Fünfte Jahreszeit eröffnet.
Abbildung: Kurfürst Karl Theodor beim Starkbier-Anstich mit dem Paulaner-Mönch Bruder Barnabas (1778) dargestellt vom Munichkindl-Team
Die Paulaner Mönche brauten im Kloster Neudeck in der Au
nachweislich schon 1634 Bier. Dieses wurde im Märzenkeller unter dem ehemaligen Lambacher-Hof, der einstmals "ad sanctum Salvatorem" gehörte, gelagert. Zu Ehren des Ordensgründers wurde seit 1651 jedes Jahr eine besonders starke Biersorte ausgeschenkt, der Salvator. Die Mönche sieden jedes Jahr derart stark ein, so dass "kaum jemand mehr als zwei Maß ohne Berauschung zu sich nehmen kann." Schon damals war es üblich, dass der baierische Kurfürst (heute kommt der Minister-präsident) mit seinem Gefolge zum Starkbier-Anstich eingeladen wird, um ihm die ersten Maß auszuschenken.
So war man im Jahre 1778 gespannt, wie der neue Pfälzer den alten Brauch achten würde. Schon morgens um vier Uhr kündigten Böllerschüsse den anbrechenden Festtag an und gegen halb zehn machte sich der Kurfürstliche Hof schließlich auf zum größten Volksfest der Stadt. Man ritt durchs Isartor, über die Isar am Roten Turm hinüber bis zur Wiese am Mariahilfplatz und dann aufwärts zur geschmückten Paulanerpforte. Nach alter Tradition zapfte der Braumeister, Valentin Stephan Still (*1750; † 1795), der auch Bruder Barnabas genannt wurde, das erste Fass an und schenkte die ersten sechzehn Maß Salvator der Hoftafel ein. Das Fest war schon im vollem Gange, als sich die unglaubliche Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitete: Karl Theodor mochte das Bier nicht und verlangte nach Wein - so etwas hatte es bis dato noch nicht gegeben.
Als der Pfälzer tatsächlich versuchte einen Deal mit Österreich zu machen und ganz Baiern gegen die Katholischen Niederlande (heutiges Belgien) einzutauschen, war er bei den Münchnern völlig untendurch. Überhaupt umgab sich der neue Kurfürst nur mit Pfälzern und interessierte sich kaum für die baierischen Angelegenheiten.
In einer Charmeoffensive öffnet Karl Theodor 1780 den Hofgarten für die Öffentlichkeit, der bis dahin ausschließlich dem Hofstaat zugänglich war. Doch auch damit konnte der Pfälzer seine Beliebtheit nicht steigern.
Am Eck des Hofgartens, wo sich heute das etwas in die Jahre gekommene Café Luigi Tambosi befindet, wurde übrigens auch damals schon ein "Kiosk mit Caffeehaus" betrieben. Der Italiener Giovanni Pietro Sarti schenkte dort bereits 1775 Kaffee, Trinkschokolade, Limonaden und andere "Refraichissements" aus und war damit einer der ersten drei konzessionierten "Caffeplämperer" in München.
1788 muss Karl Theodor im Streit mit dem Münchner Rat die Residenz sogar kurz zurück nach Mannheim verlegen. Obwohl der Kurfürst bereits im darauffolgenden Jahr nach München zurückkehrt, kommt es 1791 zu einem erneuten Eklat bei dem der Münchner Stadtrat gezwungen wird in der Maxburg vor einem Gemälde Karl Theodors Abbitte zu leisten. 1793 leistet er sich den nächsten Hammer, in dem er den jährlichen Metzgersprung verbieten lässt.
Trotz all der gegenseitigen Antipathie hatte der pfälzische Kurfürst auch positive Initiativen gestartet. Sein Leibadjudant Mister Benjamin Thompson lässt die versumpfte Hirschau trockenlegen. Das verwilderte und von Nebenflüssen der Isar durchschnittene Gebiet nördlich des Hofgartens wird (nicht mehr nach dem Muster der bis dahin gültigen französischen Gartenbaukunst) nun zum Englischen Garten angelegt.
An den Namen des Kurpfälzers erinnern heute noch das Karlstor und der Karlsplatz, der von den Münchnern jedoch niemals nach dem ungeliebten Kurfürsten, sondern stets "Stachus", nach dem Wirt des dortigen Biergartens, genannt wird. Mathias Eustachius Föderl, der „Eustachi“, betrieb seit Anfang des 18 Jahrhunderts den Stachus-Biergarten, dort wo jetzt der Kaufhof steht (Ecke Sonnenstraße/ Bayerstraße).
Die Trauer der Münchner hielt sich auch in Grenzen, als im Alter von 75 der Kurfürst in der Münchner Residenz an einem Schlaganfall verstarb.
Da er trotz seiner vielen uneheliche Kinder keinen legitimen männlichen Sprößling zeugte, folgte ihm Herzog Maximilian IV. Joseph von Pfalz-Zweibrücken als Kurfürst nach.