Munichkindl
Ois über unsere Heimat
16. Jahrhundert in München
Der Schäfflertanz zu München
ab 1517 n. Chr.
Wann genau der Münchner Schäfflertanz entstand ist unklar. Archivarisch ist der Tanz erst 1702 nachzuweisen, aber der Legende nach soll der Zunfttanz erstmals 1517 während einer Pestepidemie aufgeführt worden sein. Ziel der "Schäfflergesöllen" war es die Münchner Bevölkerung, die sich wegen der Pest nicht mehr auf die Straße traute, zu beruhigen und das öffentliche Leben wieder in Gang zu bringen. Nachdem die Schäffler-gesellen tanzten schlossen sich schließlich auch die Metzgergesellen dem ausgelassenen Treiben an und begründeten den Brauch des Metzgersprungs am Fischbrunnen.
Herzog Wilhelm IV. war von dem Tanz angetan und erteilte den Schäfflern das Recht fortan ihren Tanz aufzuführen. Seit 1760 läßt sich der siebenjährige Zyklus des "zur Faschingszeit gewöhnlichen, öffentlichen Reifentanz(es)" nachweisen.
Das nächste Münchner Schäfflerjahr ist erst wieder 2019.
Die Schäffler treten dann, wie immer erstmals am 6. Januar, dem Tag der Heiligen Dreikönige, am Hof des Herzogs bzw. heute eben beim bayerischen Ministerpräsidenten in der Staatskanzlei und beim Oberbürgermeister auf. Beschlossen wird die Tanzserie der Schäffler jeweils am Faschingsdienstag. Nach dem letzten Auftritt werden die Buchsbaumbögen zerbrochen und es heißt: "Der Tanz ist vollbracht - der Reifen hat gekracht."
Seit 1795 kann der Münchner Schäfflertanz lückenlosen nachgewiesen werden und wird seitdem benutzt, um Brauchtum zu demonstrieren. Auch in Nürnberg war ein Schäfflertanz Ende des 16. Jahrhunderts nachweisbar. An diesem tanzten neben den Schäfflern auch Tuchmacher und im Gegensatz zum Münchner Tanz durften sich dort auch Frauen beteiligen. Die Nürnberger Tradition wurde bereits im Jahre 1775 wieder eingestellt, da "deren Geschmack auch solche Lustbarkeiten nicht mehr angemessen sind." Die Choreografie des Münchner Schäfflertanzes war dem des Nürnberger sehr ähnlich. In welcher der beiden Städten der Schäfflertanz erstmals aufgeführt wurde lässt sich nicht nachvollziehen.
Erst ab 1830 verbreitete sich der Brauch durch wandernde Schäfflergesellen schließlich außerhalb Münchens und ist heute in vielen Orten im bayerischen Raum üblich.
Die Choreografie ist seit Jahrzehnten unverändert und symbolisiert die Entstehungslegende: Einmarsch, Schlange (Symbolisierte Darstellung des Pest-Lindwurms), Laube (Symbolisierte Darstellung der Bürger in ihren Häusern), Kreuz (Symbol des Glaubens und der Hoffnung), Krone (Symbol des Herzogs), viele kleine Kreise und Changieren (Symbolisiert die wiedergewonnene Lebensfreude), gefolgt vom Reifenschwung (hierbei steht ein Reifenschwinger auf einem Fass und lässt einen Reifen mit einem gefüllten Weinglas über seinem Kopf kreisen, ohne dabei einen Tropfen zu verschütten) und Ausmarsch zum "Bayerischer Defiliermarsch".
Der Schäfflertanz zu München.
1830 von Franz Graf von Pocci - dem „Kasperlgraf“
Zu München im Land Bayern
Ist eine schwere Zeit,
Man hört kein Freudenwort
Und trauert weit und breit.
Die Häuser sind geschlossen,
Die Straßen öd und leer,
Kein froher Sang erschallt
Und still ist's ringsumher.
Geh nicht zu deinem Nachbar,
Schließ dich in's Kämmerlein,
Laß reichen dir mit Zangen
Das Brot durch's Fenster ein.
Man betet in den Kirchen
Man hält kein frohes Mahl,
Die Pest ist's, die mit Grausen
Durchzieht das Isartal.
Die Reichen wie die Armen
Sie sterben alle hin,
Es müssen Jung und Alte
Schnell aus dem Leben zieh'n.
Und wer will sie bestatten,
Die so gestorben sind?
Kaum daß ein Totengräber
Sich für die Leichen find't.
Da solch' ein gift'ger Odem
Durch alle Straßen weht,
Bedarf's wohl kühnen Mutes
Wenn man ins Freie geht.
Da wagten denn die Schäffler –
Die ersten – den Versuch,
Und dachten: Gott wird helfen,
Der Trauer war genug!
Es kleideten sich festlich
Mit roten Wämsen an,
Es schmückten sich mit Kränzen
Wohl an die dreißig Mann.
Sie zogen durch die Straßen
Mit Saitenspiel und Sang
Ein Schalksnarr an der Spitze
Oft ganze Tage lang.
Und vor den Häusern hielten
Sie einen lust'gen Tanz
Und schwenkten Gläser Weines
Auf grün umwundnem Kranz.
Da lockten sie die Bangen
Bald an die Fenster vor,
Zu treten wagten viele
Herunter bis ans Tor.
Wohl gar auch auf die Straßen,
Zu schau'n der Schäffler Tanz,
So daß auch Angst und Sorge
Verschwanden endlich ganz.
Da hört der Bayern Herzog,
Ein edler frommer Mann,
Auf was die Schar der Schäffler
Zu Trost und Kurzweil sann.
Er hieß sie zu sich bitten,
Um ihren Tanz zu schau'n
Und hatte Wohlgefallen
An ihrem Gottvertrau'n.
Da sprach er: Hört ihr Leute,
Da ihr so wacker seid
Soll euer Schäfflerreigen
Besteh'n für alle Zeit.
Und alle sieben Jahre
Soll sich der Tanz erneu'n,
Und alle guten Münchner
Die Kurzweil hoch erfreu'n.
So tanzen denn die Schäffler,
Getreu wie's damals war,
Zu München auf den Straßen
Noch alle sieben Jahr.
Das Schurzfell um die Lenden
Sammt-Kappe auf dem Haupt,
Schwingen sie bunte Reife
Und Kränze grünumlaubt.
Sie zieh'n nach alter Sitte
Aus ihrer Herberg aus
Und machen ihre Sprünge
Auch vor des Königs Haus.
In Ehren soll man halten
Was alter Brauch uns bringt,
Drum ist's, daß auch mein Lied
Den Schäfflertanz besingt.
Oben: Münchner Schäffler beim Tanz, Zeichnung von Munichkindl
Dahinter: Münchner Schäffler beim Tanz, Holzstich von 1865
Unten: Schäfflertanz, Zeichnung von 1700, Künstler unbekannt
Die Münchner Schäffler tragen rote Jacken, weiße Weste, einen Lederschurz (der links aufgeschlagen wird, damit er beim Tanz nicht stört), schwarze Kniebundhosen, weiße Strümpfe und haben eine grüne Schlegelkappe auf dem Kopf. Der Schäffler trägt eine schwarze Pestschleife und eine Schärpe mit dem bayrischen Wappen sowie dem Zunftwappen (zwei Löwen mit der Wittelsbacher Krone). Mit Buchsbaum umwickelte Bögen in der Hand tanzen 20 Schäffler verschlungene Figurenfolgen. Schäffler ist übrigens die bairische Bezeichnung für Faßmacher (Fasshersteller, Fassküfer oder auch Fass-Binder, Böttcher, Büttner und Schaffelmacher genannt)